Unter den Portici von Bologna

Arkaden, Türme und Anatomie: Bologna ist eine Stadt mit wenig Touristen und ganz vielen Studenten. Und vor allem ein Ort für Spaziergänger.

Unter den Lauben fürchten wir weder Sonne noch Regen.

Gehen Sie zu Fuss. Sie wollen doch möglichst viel von der Stadt sehen. Also. Mit dem Bus geht es durch all die engen Gassen auch nicht schneller und die Portici bieten Schutz vor Sonne wie Regen.

Die Portici machen Bologna zu etwas Besonderem. Vergleichbar sind diese Bogengänge mit den Lauben in Bern, sie sind aber heller, farbiger und vor allem ausgedehnter. Viel ausgedehnter. Auf manchen Routen können Sie von Stadttor zu Stadttor marschieren und müssen fast nur an Kreuzungen Ihr Haupt unter den freien Himmel halten.

Die Stadt ist die Attraktion

Verplempern Sie also Ihre Zeit nicht mit sinnlosem Abklappern von Attraktionen. Das Stadtzentrum per se ist die Attraktion. Trotzdem wird Bologna im Vergleich zu Florenz, Rom oder Venedig nicht von Touristen überrannt. Das Angebot an Unterkünften ist vergleichsweise überschaubar, weshalb Sie frühzeitig buchen sollten, wenn Sie günstig und zentral übernachten möchten.

Am ersten Morgen in Bologna spazieren Sie zunächst zur Piazza Maggiore, um die Weite dieses Platzes zu geniessen. Wo Sie schon mal da sind, können Sie auch gleich la Fontana del Nettuno anschauen. Dann setzen Sie Ihre Passeggiata über die Via Rizzoli fort, bis Sie vor Le Due Torri stehen.

Diese beiden Türme aus dem frühen 12. Jahrhundert tragen die Namen Asinelli (97 Meter) und Garisenda (48 Meter). Wahrscheinlich sind sie das Resultat eines mittelalterlichen Schwanzvergleichs zweier reicher Familien. Heute bilden sie gemeinsam das Wahrzeichen von Bologna und stehen so schief, dass Sie sich die Fahrt nach Pisa sparen können. Dafür können Sie den Asinelli-Turm nach Voranmeldung besteigen.

Eine Ruheinsel: Innenhof der Sette Chiese.

Anschliessend begeben Sie sich zur nahe liegenden Piazza della Mercanzia und folgen der Via Santo Stefano bis zur Basilica Santo Stefano, auch bekannt als Sette Chiese. Sette Chiese, sieben Kirchen, heisst die Anlage, weil im Lauf der Jahrhunderte eine Kirche neben die andere gebaut wurde. Weil die Ursprünge bis ins erste Jahrtausend zurückreichen, sind die einzelnen Bauten im Vergleich zu späteren Gotteshäusern klein und karg. Pomp finden Sie in vielen anderen Kirchen von Bologna, hier hingegen herrscht in den, natürlich von Bogengängen gesäumten, Innenhöfen angenehme Ruhe.

Nun haben Sie wahrscheinlich Hunger. Bologna hält viel auf seine kulinarischen Qualitäten, und darum muss es schon dumm laufen, wenn Sie ein Lokal erwischen, dass keine ordentlichen Tagliatelle al ragù oder Tortellini in brodo serviert. Ein Glas Roten verträgt es in den Ferien auch mittags, und in Bologna schmeckt meist schon der Vino della casa im Offenausschank besser als die teure Flasche daheim.

Pistazienlikör für die Schwiegermutter

Empfehlenswert ist das Ristorante Gessetto an der Piazza San Martino im Ghetto Ebraico. Wenn Sie Ihre Schwiegermutter dabei haben, kann es passieren, dass der Kellner zum Kaffee einen Pistazienlikör offeriert.

Derart gestärkt lustwandeln Sie unter den Portici der Via dell’Archiginnasio bis zur Piazza Galvani. Dort finden Sie den Palazzo dell’Archiginnasio, eines der schönsten Gebäude dieser an schönen Gebäuden reichen Stadt. Ab 1563 war hier der Sitz der bereits seit dem 11. Jahrhundert bestehenden Universität. Heute dient die Anlage als Bibliothek, und weil in einer Bibliothek studiert wird, dürfen Sie da nicht rein, auch wenn Ihre Begleitung das unbedingt möchte.

Dafür können Sie in den prächtigen Gängen die Wappen von Studenten aus alten Zeiten bewundern und anschliessend im Stabat-Mater-Saal umgeben von jahrhundertealten Büchern den Duft der Geistesgeschichte atmen.

Zeugnis eines helvetischen Studenten in Bologna. Was hat «Gailsircher» wohl zu bedeuten?

Den Medizinern zollen Sie anschliessend Tribut im Teatro Anatomico. In diesem ganz mit Holz ausgekleideten Vortragssaal mit Seziertisch in der Raummitte wurde im 17. Jahrhundert Anatomie unterrichtet. Zwar wurde der Saal 1944 bei einem der vielen Bombenangriffe auf Bologna beschädigt, doch nach dem Krieg wurde er wieder weitgehend originalgetreu aufgebaut.

Die Uni prägte Bologna über Jahrhunderte und noch heute machen Studenten etwa ein Viertel der knapp 400’000 Stadtbewohner aus. Das merken Sie spätestens, wenn es dunkel wird. Im Univiertel finden Sie bis in den Herbst hinein temporäre Bars, improvisierte Bühnen und, wenn Sie ein bisschen Italienisch sprechen, auch schnell Anschluss. Le Due Torri, die Sie ja schon kennen, dienen Tag und Nacht als Orientierungspunkte. Folgen Sie von den Türmen aus der Via Zamboni, halten Sie die Augen offen und der Rest ergibt sich.

Alternativ können Sie auch im Westen der Stadt durch die Via del Pratello schlendern. Auf beiden Seiten der wenig befahrenen Strasse laden Bars zum Aperitivo, und wenn dann der Appetit angeregt ist, finden Sie unter den Lauben alle paar Meter ein schönes Speiselokal.

Für Paare mit unterschiedlichen Ernährungsgewohnheiten eignet sich besonders die Osteria Il Rovescio, denn dort kommt die Vegetarierin genauso auf ihre Kosten wie der Karnivore, der sich über ein Büffeltatar freuen kann. Zudem werden allfällige Vorurteile gegen Bio-Weine schnell und nachhaltig abgebaut.

Wenn Sie dann immer noch nicht müde sind, spazieren Sie zurück zur Piazza Maggiore. Am Wochenende ist das Zentrum für den motorisierten Verkehr gesperrt, dafür spielen mitten auf der Strasse Orchester, Rock- und Jazzbands. Der perfekte Abschluss eines Tages unter den Portici von Bologna.

Anreise: Am besten mit der Bahn via Milano. Bologna ist auch ein idealer Hub für einen längeren Aufenthalt, denn als Bahnknotenpunkt verfügt es über häufige und schnelle Verbindungen nach Parma, Ferrara, Florenz und weitere sehenswerte Städte.

Einkehren: Der Mercato delle Erbe  an der Via Ugo Bassi ist eine Markthalle mit Lebensmitteln. Auf beiden Seiten der Haupthalle geht es in kleinere, je nach Wahrnehmung lebendige bis laute Nebenhallen mit Tischen und Stühlen. Essen und Trinken holt man sich von den umliegenden Theken. Beim Ausgang auf die Via Ugo Bassi verkauft der Laden Oggi Gelato selbst für italienische Verhältnisse überragende Glace.

Abgehen: Im Freakout Club gibt es nur Live-Musik, keine Disco und auch keine Cover-Gruppen. Dafür Hip-Hop, Indie und Metal von Bands, die in Basel im Hirschikeller oder im Rossstall auftreten würden. Der Weg führt über die Via Stalingrada hinter dem Bahnhof. Auf der Brücke unbedingt rechts halten, um die abgehende Treppe nicht zu verpassen, sonst droht ein Umweg. Am Fuss der Treppe unter der Brücke durch, dann ein paar Schritte durchs Dunkle, dann ist es der Schuppen links.

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