Zweite Häuserbesetzung im Gellert ist womöglich erste Phantombesetzung

Vor zwei Jahren wurden drei Häuser im Gellert-Quartier nach einer Besetzung sofort wieder geräumt. Jetzt sind sie wieder besetzt – angeblich.

Das Eckhaus plus die Liegenschaften daneben (Hardstrasse 112–116) sollen seit Mittwoch, 6. Juni, wieder besetzt sein.

Unbekannte Aktivisten der IG Bedingungsloses Wohnen (IGBW) teilten am 6. Juni per Mail mit, sie hätten die Liegenschaften an der Hardstrasse 112–116 im Gellert erneut besetzt. Die Häuser sind seit Jahren nicht mehr bewohnt, und ihr Zerfall ein Ärgernis im Quartier. Leer stünden sie schon seit 17 Jahren, schreiben die Aktivisten in einer Mitteilung an die Medien.

Sie hielten diese Häuser seit Mittwoch besetzt, um auf «einen der grössten wohnpolitischen Skandale in der Stadt Basel» aufmerksam zu machen. Diverse Medien berichteten über die angebliche Besetzung. Darunter auch die TagesWoche.

An allen Türen geklopft, gerufen, gewartet. Aber an den «wiederbelebten» Adressen im Gellert macht niemand auf.

Womöglich hätte man besser nachgeschaut und dann geschrieben. Was die TagesWoche dann auch tat. Doch vor Ort findet sie von angeblichen Besetzern keine Spur. Einziger Hinweis darauf, dass jemand, der die Medienmitteilung verfasst hatte, zumindest kurz bei den betreffenden Liegenschaften anzutreffen war: Die Mitteilung der Aktivisten hängt auch als A4-Blatt ausgedruckt draussen am Vorgartenhag.

Aber ansonsten: nichts. Weder auf lautes Klopfen, noch auf Rufen – strassenseitig noch von hinten im Garten – regt sich im Inneren der durch die Besetzung angeblich «wiederbelebten» Liegenschaften etwas. Die Bierbüchsen vor den Hauseingängen sind längst staubig. Die Transparente, die vom Haus herunter hängen, mindestens zwei Jahre alt. Auf Nachfrage schreiben die angeblichen Besetzer, man halte sich halt «momentan bedeckt».

Vor zwei Jahren waren die Besetzer sichtbar

Bereits 2016 besetzte ein – physisch sichtbares – Kollektiv die Liegenschaften an der Hardstrasse. Die Polizei griff jedoch sofort ein, obwohl das Kollektiv durchaus Zuspruch aus dem Quartier erfahren hatte.

Besitzerin der Häuser ist die Basler Baufirma Spaini. Ihr wirft die nicht auffindbare IG in ihrer Mitteilung verantwortungsloses Handeln vor und der Regierung, dass sie «selbstbestimmten Wohnraum im Keim erstickt» und stattdessen «marktgläubig» Immobilienspekulationen unterstütze. Dies in Zeiten, in denen in der Stadt eine Massenkündigung die nächste jage und generell Wohnungsnot herrsche.

Im Garten der angeblich neu besetzten Liegenschaften: Kein (menschliches) Lebenszeichen.

Die «Besetzung» wollen die Aktivistinnen und Aktivisten als Protest für Mitbestimmung in den Quartieren, für «gleiches Recht auf Stadt» für alle und für ein Grundrecht auf Wohnen verstanden wissen. Die Besetzung sei zu dulden, bis eine rechtskräftige Abbruchbewilligung oder vertraglich gesicherte Neunutzung vorliege. Seit der letzten Räumung an der Hardstrasse betreibe Spaini dort lediglich eine «Scheinbaustelle».

14.18 Uhr. Die «Besetzer» melden: «Zur Info: Die Liegenschaften werden in diesem Augenblick geräumt!»

Es handelt sich womöglich um eine Phantombesetzung. Polizeisprecher Toprak Yerguz sagt auf Anfrage zur TagesWoche: «Nein, die Liegenschaft wird nicht geräumt.» Die Polizei sei zwar vor Ort und mache sich ein Bild der Lage, aber nicht in der Liegenschaft, und sie habe – Stand 14.18 Uhr und Stand 15.00 Uhr unverändert – «keinen Räumungsbefehl». Möglich, dass die Aktivisten, so vorhanden, die Wohnung selbst räumen.

Vier Polizisten stehen vor dem Haus, die A4-Zettel sind weg.

«Vorerst verlassen»

16.07 Uhr. Beim Haus sind Arbeiter mit Bretterverschlägen aufgefahren. Die schon vorhandenen Absperrungen zu den bereits eingebunkerten Liegenschaften sollen noch verstärkt werden. 

Währenddessen schreiben die emsig kommunizierenden Besetzer wieder an die Medien: Sie hätten die Häuser «vorerst verlassen». Schliesslich könne «die Anwesenheit während einer Räumung zwei Tage Gefängnis sowie Anzeigen und Geldstrafen bedeuten». 

Zu einer Räumung bestand letztlich also kein Anlass. Und die unbekannten Aktivisten räumen in ihrem Mail auch ein: «Vielleicht verliessen wir die Liegenschaften ein wenig zu früh.»

«Das Restaurant bleibt vorübergehend geschlossen»: Das gilt seit so vielen Jahren, dass der Kleber schlapp machte.

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