Es ist das auf dem Papier heisseste Duell im Qualifikations-Pool des Wochenendes: Kroatien gegen Serbien. Ein emotional aufgeladenes Spiel zwischen den Nationalteams zweier Länder, deren Rivalität am Anfang des Auseinanderbrechens Jugoslawiens stand.
Goran, der ehemalige Ski-Fahrer, reicht einen «Rakija» zum Frühstück. Der selbstgebrannte Obstschnaps hebe die Lebensgeister, verspricht er. Goran kommt aus Zagreb, er wird sich das Fussballspiel diesen Freitag zwischen Kroatien und Serbien am TV anschauen. Er will natürlich schon, dass Kroatien gewinnt, aber die Welt, sagt er, hänge für ihn nicht vom Ergebnis dieses Spiels ab. Nicht jedermann sieht das in beiden Ländern so entspannt wie Goran.
Durch Tore der beiden Bundesliga-Legionäre Mario Mandzukic (Bayern München) und Ivica Olic (Wolfsburg) in der 23. und 37. Minute hat Kroatien den Clash gegen eine im schwache serbische Mannschaft klar für sich entschieden. Der Ex-Basler Ivan Rakitic (FC Sevilla) war am Führunsgtor beteiligt, das der serbische Verteidiger Aleksandar Kolarov (Manchester City) mit einem krassen Fehler verursachte. Mladen Petric sass auf der Ersatzbank der Kroaten. (cok)
Es ist ein hoch brisantes, politisch aufgeladenes Duell in der WM-Qualifikation an einem symbolischen Ort: dem Maksimir-Stadion in Zagreb. Die Vergangenheit hallt immer noch nach. Am 13. Mai 1990 trafen dort Dinamo Zagreb und Roter Stern Belgrad aufeinander. Es kommt zu schweren Schlägereien zwischen Hooligans aus Zagreb und Belgrad, auch Spieler von Dinamo traten auf Polizisten und Belgrader Fans ein. Das Spiel wurde erst gar nicht angepfiffen.
Viele sehen in den Ereignissen den Auslöser für den Bürgerkrieg im Vielvölkerstaat und den Anfang vom Ende der sozialistischen föderativen Republik Jugoslawien. Die Ultra-Gruppierungen beider Clubs kämpften später an der Front gegeneinander. Noch heute erinnern die Dinamo-Ultras der Bad Blue Boys mit einem Denkmal am Maksimir-Stadion an die Toten des Krieges aus ihren Reihen.
Die Geschichte der Trainer
Im Vorfeld des WM-Qualifikationsspiels 23 Jahre später steht auch die Geschichte von Igor Stimac und Sinisa Mihajlovic im Zentrum. Der 45-jährige Stimac ist Nationaltrainer Kroatiens, der 44-jährige Mihajlovic der von Serbien. Beide standen sich Jahrzehnte lang wie Todfeinde gegenüber. Beim Pokalendspiel im Mai 1991 zwischen Hajduk Split und Roter Stern sahen Stimac (Split) und Mihajlovic die Rote Karte.
Ein paar Tage zuvor hatten serbische Freischärler sich in Borovo ein tödliches Gefecht mit kroatischen Polizisten geliefert, die Freischärler verstümmelten anschliessend die Leichen der Polizisten. Mihajlovic, Sohn eines Serben und einer kroatischen Mutter, stammt von dort. Stimac, so erzählte Mihajlovic später, habe ihm während des Pokalendspiels gesagt, er bete zu Gott, dass seine Familie ermordet werde.
Nun aber zeigen sich beide zumindest öffentlich versöhnlich, im letzten Jahr trafen sie sich in Warschau. «Das ist nicht die Fortsetzung des Krieges, es ist nur ein heisses Fussballspiel», erklärte der ehemalige Italien-Pofi Mihajlovic in der «Gazetta dello Sport», kurz bevor er mit seiner Mannschaft am Donnerstag am Flughafen in Zagreb von einem riesigen Sicherheitsaufgebot empfangen wurde.
Unter dem Druck der Verbände
Es gibt Bestrebungen, den Fussball in den ehemaligen Teilen Jugoslawiens wieder in einer gemeinsamen Balkan-Liga zusammenzuführen. Was vor allem aus fussballerischen Qualitätsgründen befürwortet und von der Uefa durchaus wohlwollend betrachtet wird, obwohl die reglementarischen Grundlagen für eine staatenübergreifende Liga fehlen, stösst auch auf grosse Skepsis. Bei all jenen, die die Gräben, die der Krieg aufgebrochen hat, zwei Jahrzehnte später noch nicht überwunden sehen, und die darin bestärkt werden, wenn es bei Sportveranstaltungen zu Ausschreitungen kommt. Das Sicherheitsproblem dürfte somit eine der grössten Hürden sein für ein Projekt, dass es in Basketball und Handball bereits gibt. (cok)
Doch längst sind nicht alle Wunden verheilt, 23 Jahre nach dem verhängnisvollen Spiel im Maksimir und 18 Jahre nach dem Ende des folgenden Krieges. Serbische Fans sind in Zagreb nicht zugelassen, genauso wenig werden für das Rückspiel in Belgrad im September Tickets an kroatische Fans verkauft werden. Der Druck der internationalen Fussballverbände ist gross. Die Gewalt rund um die Spiele kroatischer und serbischer Fussball-Mannschaften wollen Fifa und Uefa nicht länger akzeptieren, sie drohen mit Ausschluss aus den internationalen Wettbewerben.
In den letzten Monaten ist es vor allem Stimac nicht immer leicht gefallen, seine nationalistische Gesinnung zurückzuhalten. Im November 2012 wurden die Generäle Mladen Markac und Ante Gotovina vom UN-Strafgerichtshof in Den Haag im Berufungsverfahren vom Vorwurf der Kriegsverbrechen freigesprochen. In Kroatien feierten die Menschen dies als Legitimation ihres Unabhängigkeitskrieges.
Ein politisches Urteil sei das, hiess es in Belgrad, das den Kroaten den EU-Beitritt diesen Juli vereinfachen solle. Der kroatische Stürmer Mandzukic salutierte damals bei einem Spiel seines Clubs Bayern München nach einem Tor als Geste für die Generäle. Und Stimac schlug vor, Gotovina könne doch symbolisch den Anstoss beim nächsten Heimspiel Kroatiens übernehmen. Diese Aussage löste nicht nur in Serbien Proteste aus, war doch das nächste Heimspiel jenes gegen Serbien. Stimac erklärte später, er sei falsch verstanden worden.
Die Nationalismen schwingen mit
Für einen nächsten Eklat im Vorfeld sorgte wieder einmal Zdravko Mamic, der umstrittene Präsident von Dinamo Zagreb. Mamic bezeichnete den kroatischen Sportminister Zeljko Jovanovic als «Kroatenhasser», der eine «Beleidigung für den kroatischen Verstand» sei. Jovanovic gehört der serbischen Minderheit in Kroatien an. Mamic war vorübergehend in Haft.
Regierungschef und Staatspräsident verurteilten die Äusserungen. Selbst Torjäger-Ikone Davor Suker, den viele in Kroatien als Marionette Mamics bezeichnen, distanzierte sich in seiner Funktion als Präsident des kroatischen Fussballverbandes.
Dennoch scheint die Stimmung insgesamt weniger vergiftet als noch 1999, als Kroatien in der EM-Qualifikation auf das damalige Jugoslawien traf. Mit dabei: Stimac als Spieler für Kroatien, Mihajlovic für Jugoslawien. Die Kroaten, WM-Dritte von 1998, scheiterten damals. Diesmal sind sie klarer Favorit vor 35’000 Zuschauern im Maskimir. Gewinnt aber Serbien, könnten sie bis auf drei Punkte an Kroatien herankommen, die zusammen mit Belgien (beide zehn Punkte) die Tabelle der Gruppe A anführen.
Der ehemalige Ski-Fahrer Goran sagt, während er am Rakija nippt: «Im Fussball kann auch der Schlechtere gegen den Besseren gewinnen.» Und nach einem kräftigen Schluck Wasser gibt er zu: «Den besten Rakija gibt es in Serbien.»
Eine Reportage des Senders Arte zum Hassduell (ipad-Benutzer benutzen den Link):