Einfach zu verstehen ist beim FCZ nur der Fussball

Sieben Monate haben Sami Hyypiä und seine Spieler herumgepröbelt. Jetzt scheinen beim FC Zürich endlich alle verstanden zu haben, wie sie auftreten wollen. Schön sieht das nicht aus – aber es passt zum zwinglianischen Arbeitsethos der Stadt.

Gratulationen von der Bank fuer FCZ Trainer Sami Hyypiae nach dem Sieg beim Fussballspiel der Super League FC Zuerich gegen den FC St. Gallen im Stadion Letzigrund in Zuerich am Samstag, 2. April 2016. (KEYSTONE/Walter Bieri)

(Bild: Keystone/WALTER BIERI)

Sieben Monate haben Sami Hyypiä und seine Spieler herumgepröbelt. Jetzt scheinen beim FC Zürich endlich alle verstanden zu haben, wie sie auftreten wollen. Schön sieht das nicht aus – aber es passt zum zwinglianischen Arbeitsethos der Stadt.

Man muss nicht immer alles verstehen. Manchmal reicht es auch zu erkennen, dass man etwas einfach nicht versteht. Aussenstehenden geht es zum Beispiel beim FC Zürich recht häufig so. Und Aussenstehende, das sind beim FCZ eigentlich fast alle, da Präsident Ancillo Canepa und seine Frau Heliane alle Schlüsselpositionen bis auf jene des Cheftrainers unter sich aufteilen.

Warum zum Beispiel stiegen die Zürcher mit gleich sechs Angreifern in die Saison und leiden heute unter akutem Stürmermangel? Weshalb liess man Trainer Urs Meier erst am Diven-Gehabe eines Yassine Chikhaoui zerschellen, um danach beide in die Wüste zu schicken (Letzteren sogar wortwörtlich)? Wieso durfte sich der neue Trainer Sami Hyypiä erst um seinen Umzug in Finnland kümmern, ehe er seine Arbeit aufnahm?

Canepa und die Ahnungslosen

Die Liste könnte leicht erweitert werden. (Wer kam auf die Idee, der Ex-Basler Cabral könnte ein Leader sein?) Antworten zu bekommen, ist beim FCZ etwas schwieriger. Ancillo Canepa glaubt nicht, dass er seine Entscheidungen öffentlich erklären muss. Auf dem Platz Zürich gibt es nur noch eine handverlesene Zahl an Medienleuten, mit denen er überhaupt spricht. Wer ihn kritisiert, der wird gerne als «ahnungslos» betitelt.

FC Zürich, Sami Hyypiä mit Ancillo Canepa (links) und Heliane Canepa

Arbeit, Arbeit, Arbeit: FCZ-Trainer Sami Hyypiä mit Präsident Ancillo Canepa (links) und Präsidenten-Gattin Heliane Canepa, die beim FC Zürich ebenfalls im Organigramm auftaucht, als Verwaltungsrätin und im operativen Bereich. (Bild: Keystone)

Das Organigramm des FC Zürich:




Bleibt den Beobachtern also bloss der Blick auf die Resultate des FCZ. Und da könnte man sagen: Verständlich, dass bei so vielen unverständlichen Vorgängen im Club die Resultate des Herbstes miserabel waren. Ja, phasenweise liessen die Zürcher Auftritte bloss einen Schluss zu: Da spielte ein Abstiegskandidat.

Weiter im Hü und Hott

Das hat sich inzwischen geändert. Nicht, dass das neue Jahr irgendwie logischer begonnen hätte als das alte endete. Erst wurden Spieler vom Training ausgeschlossen. Unter ihnen Davide Chiumiento, der das Team eben erst noch als Captain angeführt hatte. Inzwischen aber wurde Chiumiento schon wieder begnadigt.

Im Sturm wurden Armando Sadiku und Amine Chermiti aktiv abgegeben, ehe dem FCZ bewusst wurde, dass Mario Gavranovic ebenfalls weg wollte. Also hat der FCZ heute noch die Wahl zwischen Altmeister Alexander Kerschakow (33) und dem unerfahrenen Moussa Koné (19). Franck Etoundi fällt mit einer Schulterverletzung bis Mitte April aus.

Hyppiä hat einen Plan gefunden

Inmitten all dieser weiterhin inkonsistent wirkenden Kaderplanung hat sich inzwischen allerdings Entscheidendes getan: Trainer Hyypiä hat herausgefunden, welchen Fussball er mit den ihm zur Verfügung stehenden Profis spielen will.

Der Finne hat sich damit reichlich Zeit gelassen – ziemlich genau sieben Monate – und erhielt deswegen in Zürich auch ordentlich mediale Schelte. Doch vor dem Cup-Halbfinal in Sion hatte er die entscheidende Eingebung. Seither spielt sein FCZ mit einer Art 3-4-3. Wobei dieses bei Ballverlust bald einmal zum 5-4-1 wird.

Meist stehen fünf gelernte Verteidiger auf dem Platz, dazu zwei defensive Mittelfeldspieler. Um die Offensive müssen sich die drei vorne fast alleine kümmern, wobei Oliver Buff und Chiumiento davon profitieren, dass Kerschakow ein intelligenter und spielfreudiger Stürmer ist. Zumindest solange die Puste reicht, also meist rund 60 Minuten.

Die Sache mit den Gegentoren

Sicherheit ist oberstes FCZ-Gebot der Stunde. Und so könnte Hyypiäs Aufstellung als wenig mutig abgetan werden. Sie ist aber wohl einfach realistisch. 2,2 Gegentore hat seine Mannschaft in der Vorrunde pro Partie im Schnitt kassiert. Seit aber klar ist, in welchem System gespielt wird, haben die Zürcher vier von fünf Pflichtspielen ohne Gegentor überstanden.

Dazu beigetragen hat auch Zugang Leonardo Sanchez. Der Argentinier ist der Abwehrpatron, den Zürich lange gesucht hat – auch wenn er in der Spielauslösung Schwächen verrät.

Die Tabelle des Jahres 2016:

Und zuletzt, beim 4:0 über St. Gallen, zeigte sich sogar ein etwas mutigerer FCZ. Einer, der den Gegner mit Pressing unter Druck zu setzen versucht. «Wenn du mehr Selbstvertrauen hast, traust du dich auch eher einen Schritt nach vorne zu machen, wo du zuvor zurückgewichen bist», erklärt Offensivmann Buff die Entwicklung.

Arbeit, Arbeit und noch mal Arbeit

Schön anzuschauen ist der Fussball des FCZ deswegen nicht. Aber er spiegelt wohl einfach den Trainer wieder, der vom Tag seiner Ankunft an kein anderes Wort so häufig verwendet hat wie «Arbeit». Arbeit im Training, auf dem Platz, Arbeit im Kopf, Arbeit am Körper, Arbeit allüberall.

Hyypiä passt mit seinem Ethos hervorragend zur Zwingli-Stadt Zürich. «Die Arbeit ist ein gut göttlich Ding», schrieb der Reformator im 16. Jahrhundert. Das wissen inzwischen auch die Spieler des FCZ, deren Mangel an Arbeitseifer Hyypiä zu Beginn seiner Tätigkeit ehrlich geschockt hatte. Inzwischen absolviert sogar Schönspieler Chiumiento freiwillige Laufeinheiten.

Nach der Vorstellung des neuen Trainers wurde Ancillo Canepa nachgesagt, er wolle sich nur im Glamour sonnen, den der Name Sami Hyypiä ausstrahlt. Es ist eine interessante Wendung, dass nun augerechnet ein ehemaliger Champions-League-Sieger aus dem FCZ – zumindest auf dem Rasen – wieder einen Arbeiterclub macht.

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