Bei der Marke Nestlé vergeht Kristin Glenewinkel der Appetit. In ihrer Lieblingsbadi, im Gartenbach Bachgraben, gab es bis vor Kurzem nur Nestlé-Glace – für die 42-Jährige ein No-Go. Sie legt Wert darauf, dass ihre Glace keine langen Transportwege zurücklegt und wenig Zusatzstoffe beinhaltet. Deshalb wünschte sie sich regionale Glace, zum Beispiel von Gasparini.
Der Nestlé-Zwang an Basler Badis kam jedoch von ganz oben. Das Sportamt, das innerhalb des Erziehungsdepartements die Restaurants und Kioske in den Badis verpachtet, schloss einen Vertrag mit dem Lebensmittel-Multi ab, der alle Pächter ab 2008 verpflichtete, das gesamte Tiefkühl-Sortiment und weitere Produkte auf Nestlé umzustellen.
Damals hiess es, die staatlichen Sportstätten würden zu wenig Erträge abwerfen. Der Erziehungsdirektor Christoph Eymann und der Gastro-Verantwortliche der St.-Jakobshalle, Jost Waldispühl, entwarfen deshalb ein neues Catering-Konzept. Von «Zentralisierung der Einkaufsorganisation» war die Rede, Nestlé wurde mit keinem Wort erwähnt.
Pommes kosten das Doppelte
Leidtragende waren die Pächter, die nicht mehr frei wählen konnten, welche Pommes und Glace sie anbieten wollten. Philipp Schopfer, der 2009 als Küchenchef im Gartenbad St.-Jakob arbeitete, erzählt: «Von der Tiefkühlpizza bis zu den Getränken mussten wir alles bei Nestlé einkaufen.» Die Warenkosten seien damit nicht gesunken, sondern massiv gestiegen, sagt Schopfer, der im Herbst für den Grossen Rat kandidiert (BDP).
Die Tiefkühl-Pommes hätten bei Nestlé bis zu sechs Franken pro Kilo gekostet. Bei einem regionalen Lieferanten hätte er nur 3.25 Franken bezahlt. Er musste auch das Getränke-Sortiment umstellen: Statt Lipton gab es nur noch Nestea.
Erziehungsdepartement streicht Kickback-Zahlungen ein
Mengenrabatt gab es für die Pächter nur wenig. Dafür strich das Erziehungsdepartement hohe Summen an Rückvergütungen ein, sogenannte Kickback-Zahlungen, die am Ende einer Zahlungsperiode anfallen, wenn ein bestimmter Umsatz erreicht wird.
Eymann sprach 2007 von einer «gerechteren Regelung im Umgang mit Kickback-Zahlungen». Schopfer spricht rückblickend von einem «Knebelvertrag».
Die Situation, wie sie Schopfer beschreibt, bestätigen zwei weitere Quellen gegenüber der TagesWoche. Die Verträge seien mit der Zeit weniger strikt umgesetzt worden. Die Badis nahmen auch andere Getränke ins Sortiment. Bei den Glaces durften sie aber weiterhin nur die Nestlé-Hausmarken anbieten, obwohl die Pächter und Kunden auch andere Glaces wollten.
Vertrag lief bis 2016
Die Robi-Spiel-Aktionen führen seit 2015 den Kiosk in der Bachgraben-Badi und mussten sich ebenfalls an die Auflagen halten – jedoch nur für eine Saison. Denn 2016 lief der Vertrag mit Nestlé aus. Die Pächter sind nun frei, welche Glace sie anbieten. Im Bachgraben-Kiosk gibt es neu Lusso und Ben & Jerry’s – beides Marken von Unilever.
Diese Sorten entsprechen ebenfalls nicht gerade dem Geschmack von Kristin Glenewinkel, der Bachgraben-Schwimmerin. «Immerhin gibt es nun nicht mehr nur Nestlé-Glace», findet sie.
Das Erziehungsdepartement (ED) hat die Fragen der TagesWoche zum Vertrag mit Nestlé nicht beantwortet. Zwar bestätigt der Mediensprecher Simon Thiriet, dass das ED «den Verkauf von Glace, Tiefkühl- und Trockenprodukten» per Vertrag regelte. Da zum Vertrag eine Geheimhaltungsklausel bestehe, könne man aber ohne die Bewilligung von Nestlé nichts weiter dazu sagen. Nestlé bestätigt, dass es einen Vertrag mit dem Sportamt Basel-Stadt gab, der 2008 in Kraft trat.
Quellen
Die Fragen, die die TagesWoche an das Erziehungsdepartement richtete und die unbeantwortet blieben:
Artikelgeschichte
Änderung, 12.8.2016, 14.10 Uhr: Der folgende Satz wurde abgeändert:
– «Statt Coca-Cola und Lipton gab es nur noch Sinalco Cola und Nestea – beide von Nestlé.»
– Neu heisst es im Artikel: «Statt Lipton gab es nur noch Nestea.»