Eine neue Zwei-Zimmer-Wohnung für 600 Franken Miete ist möglich

Der Basler Architekt Heinrich Degelo hat ein Konzept entwickelt, das Monatsmieten von nur zehn Franken pro Quadratmeter möglich macht. Und dieser Mann ist kein Fantast. Er hat schon den Messeturm und das Kunstmuseum Liechtenstein gebaut.

Höchstmögliche Flexibilität: die 60 Quadratmeter grossen Wohnbaumodule lassen sich auch als Arbeitsplatz nutzen.

Es ist eine alte Leier: Günstige Wohnungen in Ballungszentren sind ein rares Gut. Der Kanton Basel-Stadt legt sich zwar ins Zeug, gerade auf dem Gebiet des genossenschaftlichen Wohnungsbaus. Doch Mieten in Neubauwohnungen lassen sich nur mit staatlichen Subventionen günstig halten.

Das muss nicht sein, dachte sich der Basler Architekt Heinrich Degelo. «Wir können die Notlage auf dem Gebiet der günstigen Wohnungen doch nicht einfach dem Sozialamt überlassen», sagt er. Und er widersetzt sich der gängigen Annahme, das Bauen automatisch teuer sein muss.

Neuartiges Wohnbaukonzept

Das Resultat ist ein neuartiges, aber im Grunde einleuchtendes Wohnbaukonzept, das er nun über die Genossenschaft Homebase auf den Markt bringen möchte. Das Verblüffende sind die tiefen Baukosten, die sich in einem niedrigen Mietpreis niederschlagen: Neubauwohnungen mit einer Monatsmiete von zehn Franken pro Quadratmeter. Für eine Loft oder eine Zwei-Zimmer-Wohnung von 60 Quadratmetern wären das 600 Franken, für eine doppelt so grosse Wohnung 1200 Franken.

Im Vergleich dazu: Laut den Wohnraumindikatoren des Statistischen Amts in Basel-Stadt wird aktuell für eine Zwei-Zimmer-Leerwohnung im Schnitt 1367 Franken Monatsmiete verlangt. Eine Vier-Zimmer-Wohnung kostet im Schnitt 2175 Franken. Die Statistik unterscheidet aber nicht zwischen Alt- und Neubauwohnungen. Die Mieten der Letzteren dürften höher sein.

Bei diesem Vergleich weckt Degelos Konzept Skepsis. Aber Degelo ist kein Utopist, sondern ein arrivierter Architekt. Einer, der sonst ganz anders baut, das heisst teure und prestigeträchtige Bauten entwirft: den Messeturm zum Beispiel, den er zusammen mit seinen ehemaligen Partner Meinrad Morger geschaffen hat. Auf sein Konto gehen unter anderem auch das Kunstmuseum Liechtenstein, der Grosspeter Tower und der Umbau der St. Jakobshalle.

Was ist für angenehmes Wohnen dringend nötig?

Wie ist es denn möglich, so günstig zu bauen? «Ich habe mich gefragt, was es fürs Wohnen braucht: einen sicheren Ort, angenehme klimatische Bedingungen, eine zurückhaltende Grösse und einen Ausbaustandard, der sich auf das Wesentliche beschränkt», sagt Degelo.

Aufgrund dieser Eckpunkte hat er ein modulares Wohnungsmodell mit quadratischen Grundrissen entwickelt. Ein Modul hat 60 Quadratmeter Fläche, jeweils vier davon bilden ein Stockwerk. Das System ist sehr flexibel. Bei Bedarf können auch zwei Module zusammengeschlossen werden.

Der Ausbau beschränkt sich auf das Nötigste. Das heisst Beton am Boden, an den Wänden sowie an der Decke, eine zentrale Steckdosenleiste, eine Kücheneinheit und eine Nasszelle, die sich frei platzieren lassen. Und Aussenmauern, die mit 80 Zentimeter so dick sind, dass die Wohnmodule keine Heizung benötigen, dafür aber elektrisch gesteuerte Fenster für den Klima-Ausgleich.

Hohe Flexibilität

Das Bestechende am Modell ist die Flexibilität. Die Module lassen sich einfach verbinden und nach Bedarf wieder trennen. «Die meisten Neubauwohnungen richten sich noch immer an den Bedürfnissen einer Familie mit zwei Kindern aus», sagt Degelo. Das sei aber ein Wert, der nicht der tatsächlichen Nachfrage nach Wohnungen in grossen Städten entspricht.

Ein Blick in die Statistik bestätigt das: Fast die Hälfte der Basler Haushalte bestehen aus einer Einzelperson. Über ein Viertel sind Zweipersonen-Haushalte. Gerade Singles und Paare haben besonderen Bedarf an günstigem Wohnraum, wie das aktuelle Immo-Monitoring 2019 des Immobilien-Dienstleisters Wüest Partner zeigt.

«Es sind letztlich die Einpersonen-Haushalte, die einen überdurchschnittlich hohen Anteil des Einkommens für die Miete aufbringen müssen», heisst es im Bericht des Immobiliendienstleisters. Im untersten Einkommensfünftel gehen im Schnitt zwischen 38 und 41 Prozent des Einkommens für die Miete oder Hypothekarkosten drauf.

Vor diesem Hintergrund müsste Degelos Modell ein grosser Renner sein. Ist es aber noch nicht. Offensichtlich herrscht bei den Investoren auf dem Immobilienmarkt noch Skepsis. «Wir suchen noch immer nach Grundstücken, um unser Modell erstmals verwirklichen zu können», sagt Degelo.

Selbst bei der äusserst innovativen Wohnbau-Investorin Stiftung Habitat ist Homebase vorerst abgeblitzt. «Wir haben uns um eine Parzelle auf dem Areal Lysbüchel Süd beworben und wurden nicht berücksichtigt», bedauert Degelo.

Visualisierung des Atelierhauses auf dem Areal Erlenmatt Ost.

Ganz abgeblitzt ist der Architekt bei der Stiftung aber nicht. Auf dem Areal Erlenmatt Ost kann Degelo für die Genossenschaft Coopérative d’ateliers, einen Zusammenschluss von Künstlern auf Raumsuche, eine Art Testbau errichten, der viele Grundsätze des Hombase-Konzepts beinhaltet.

Auf vier Geschossen entstehen insgesamt 14 Wohnateliers für eine oder zwei Personen. Sie sind zwischen 60 und 150 Quadratmeter gross und ebenfalls nur minimal ausgebaut. Die Mietpreise liegen bei zehn Franken pro Quadratmeter.

Auch dieses Haus soll dank den dicken Aussenmauern ohne Heizung auskommen. Die ersten Mieter werden im nächsten Frühling bereits einziehen.

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