Eres Oron: «Bitte mehr Fingerspitzengefühl, liebe Verwaltung»

Eres Oron alias DJ Montes zeigt, dass sich auch heute noch ein neues Lokal in Basel eröffnen lässt. Der Kaschemme-Mitgründer über den Kampf mit Paragrafen, das Basler Partyvolk und seine Wünsche an die Behörden.

Eres Oron: «Ändert sich in Basel nichts, wird dies zu mehr illegalen Partys führen.» (Bild: Nils Fisch)

Eres Oron alias DJ Montes zeigt, dass sich auch heute noch ein neues Lokal in Basel eröffnen lässt. Der Kaschemme-Mitgründer über den Kampf mit Paragrafen, das Basler Partyvolk und seine Wünsche an die Behörden.

Eres Oron (36), bekannt als die eine Hälfte des DJ-Duos Goldfinger Brothers, hat sich einen Traum erfüllt: jenen des eigenen Clubs. Mit den beiden Freunden Daniel Henke und Marco Schmutz eröffnete er 2014 im Basler Breite-Quartier die Kaschemme. Zum Gespräch über das Clubleben und -sterben treffen wir uns nicht vor Ort, sondern mitten im Fasnachtstrubel. Denn DJ Montes, so sein Pseudonym, legt danach in der Parzelle 403 auf.

Drei Tage lang ist alles möglich in Basel. Schön?

Ja, klar. Schön. Ich wünschte mir aber, dass Basel auch vor und nach der Fasnacht lockerer wäre – so wie das früher mal an den «Uusestuehlete» spürbar war. Heute ist es so, dass man schon nur für ein kleines Underground-Fest gefühlte 50 Bewilligungen einholen muss.

Sie haben 2014 mit Freunden einen neuen Club eröffnet. War das ein anstrengender Prozess?

Mega anstrengend. 2013 mieteten wir diese leerstehende Lagerhalle, planten ein halbes Jahr, was zu tun war. Es hatte keine WCs, keine Kanalisation, nichts. Dann folgte eine sechsmonatige Bauphase. Geschafft haben wir das nur, weil wir unsere Aufgaben aufteilen konnten: Einer kümmerte sich um die Behörden und Administration, einer um Gastronomie/Wirt und ich mich um das Clubprogramm und die Technik.

Wochenthema Clubsterben

Lesen Sie mehr über die kriselnde Basler Clubszene in unserem Dossier.

Wie viel Geld haben Sie investiert?

Wir starteten mit einem fünfstelligen Betrag. Das wäre nicht möglich gewesen, wenn uns nicht zahlreiche Freunde, Handwerker etwa, gratis geholfen hätten. Der Club läuft jetzt seit fünf Monaten und wir zahlen noch immer ab.

Aber als Clubbetreiber macht man doch tierisch Zaster, so die landläufige Meinung.

Vielleicht könnten wir gut Geld verdienen, wenn wir nur elektronische Musik spielen würden und 90er-Hits. Aber das wollen wir gar nicht. Bei uns sollen auch Rockkonzerte oder Afrobeat-Abende unter der Woche stattfinden, Fussballspiele und Sonntagspartys ebenso.

Was war denn Ihre Motivation, einen eigenen Club aufzumachen?

Etwas Eigenes auf die Beine zu stellen, einen Traum realisieren. Ich habe als DJ so viele Lokale gesehen, dass ich mir immer ausmalte, wie mein eigenes gestaltet sein müsste. Da legt man etwa im Fri-Son in Freiburg auf und denkt sich: Diese Spiegelkugel ist so geil, die möchte ich auch mal in meinem Club hängen haben.

«In Sachen Lärmschutz mussten wir auf den Zentimeter genaue Schichten aus Steinwolle, Holzplatten und Gipsplatten anfertigen. Oder einen Blitzschutz installieren.»

Und haben Sie eine geile Spiegelkugel?

Nein, noch nicht. Wir sind auch fünf Monate nach unserem Start damit beschäftigt, Sachen zu verbessern. Dass immer wieder Forderungen der Behörden eintreffen, macht es nicht leichter.

Was kommt denn auf einen zu, wenn man in Basel einen Club eröffnen will?

Ein ganzer Katalog an Anforderungen, die erfüllt werden müssen. In Sachen Lärmschutz etwa mussten wir auf den Zentimeter genaue Schichten aus Steinwolle, Holzplatten und Gipsplatten anfertigen. Oder einen Blitzschutz installieren.

Sie mussten einen Blitzableiter bauen?

Ja, und zwar ist die absurde Regel, dass das bei Lokalen bis 100 Leuten nicht nötig ist, darüber aber schon. Wir mussten eine Spezialfirma aufbieten, Kernbohrungen für Kupferdrähte machen lassen. Dann kam jemand vom Amt vorbei und sagte uns, dass das noch nichts bringe und wir rund ums Gebäude einen Graben machen müssten. So brauchten wir auf einmal einen Bagger und betrieben einen grossen Aufwand, allein für den Blitzschutz. Solche kleinen Sachen haben uns viel Geld gekostet.

«Für die Lärmmesskontrolle mussten wir eine Firma beauftragen, Kostenpunkt 2500 Franken.»

Die Auflagen gingen ins Geld?

Ja, und wie. Für die Lärmmesskontrolle mussten wir eine Firma beauftragen, Kostenpunkt 2500 Franken. Die kamen an einem Nachmittag. Stellten aber fest, dass die Lautstärke der Eisen- und Autobahn lauter war. Also mussten sie nochmals kommen, nachts. Schon das fanden wir absurd. Dann wurde gemessen, alles in Ordnung. Allerdings verlangten die Behörden vor der Eröffnung, dass die Firma ein weiteres Mal kommen müsse.

Warum?

Weil wir eine andere Soundanlage erstanden hatten, die alte vom Nordstern. Die Lautstärkegrenze blieb dieselbe, die Schallschutzmassnahmen auch. Jetzt hat das Amt aber darauf beharrt, dass wir nochmals messen lassen müssen, was uns wieder 2500 Franken kosten wird. Nur weil wir eine andere Anlage installiert haben. Das empfinde ich als reine Schikane, denn dass die Messung von der Anlage abhängt, steht nirgends auf den Formularen vermerkt.

Eres Oron
Zusammen mit seinem älteren Bruder Janiv bringt er seit den 90er-Jahren Hip-Hop und Artverwandtes in die guten Stuben des Nachtlebens – auch weit über die Landesgrenzen hinaus. DJ Montes sein Künstlername, Goldfinger Brothers der Begriff, unter dem die Brüder gemeinsam auflegen. Das eigene Lokal Kaschemme wurde 2014 nach einjähriger Planung eröffnet.
Eres Oron ist 36, verheiratet und Vater von zwei Kindern.

Gab es auch Punkte, wo Ihnen die Behörden entgegenkamen?

Ja. Man darf nicht nur alles negativ sehen, wirklich nicht. Einige Ämter haben uns auch geholfen und unterstützt. Mehrheitlich bleibt aber der Eindruck, dass ein Club bei den Behörden in erster Linie für Probleme steht, nicht für eine Bereicherung des Stadtlebens. Und dass wir im kleinen Rahmen auch noch sechs Arbeitsplätze schaffen, wird nicht wirklich wertgeschätzt.

Wie geht es mit den Nachbarn?

Wir stehen in engem Kontakt. Einige freuen sich, dass es jetzt ein Lokal im Breite-Quartier gibt, einige wenige stören sich aber auch. Die haben unsere Telefonnummer, falls was ist, zudem tauschen wir uns auch proaktiv mit der Polizei aus, was sehr geschätzt wird. Wir schauen auch mit den Türstehern, dass kaum Lärm nach aussen dringt.

Türsteher? Wollten Sie anfänglich nicht darauf verzichten?

Ja, ich hatte gehofft, dass wir sie nicht brauchen würden. Leider wurde unser Goodwill ausgenutzt.

«Ich habe schon zwei Kinder zu Hause, mag nicht im Club Polizist und Erzieher spielen.»

Inwiefern?

Viele Jugendliche kennen keine Scham mehr und nehmen ihre eigenen Getränke mit in den Club, trinken ihren eigenen Wein auf der Tanzfläche. Eines Abends haute es mir den Nuggi raus. Ich habe schon zwei Kinder zu Hause, mag nicht im Club Polizist und Erzieher spielen. Also mussten wir unsere lockere Politik aufgeben und wohl oder übel Türkontrollen einführen. Schade.

Sie sind schon so lange als DJ unterwegs: Wann hat diese Gratis-Mentalität im Clubbing Einzug gehalten?

Vielleicht ist es Zufall, aber ich arbeitete im nt/Areal, bis das Rauchverbot eingeführt wurde. Und da fiel mir erstmals auf, dass immer mehr Leute ihre eigenen Getränke draussen im Freien bunkerten. Ich verstehe ja, dass Junge aufs Geld achten müssen. Aber ich vermisse das Verständnis, dass ein Club Kosten hat. Wir wollen keine Schickeria sein, haben faire Preise, sind eher alternativ, ohne Zigarettenwerbungen und so. Für diese Authentizität erwarte ich, dass einer bereit ist, sein Bier an der Theke zu kaufen, statt es reinzuschmuggeln.

Gross ist unter Clubbern die Solidarität, die kollektive Empörung, angesichts der drohenden Schliessungen. Teilen Sie diese Empörung?

Nur bedingt. Zwischennutzungen sind befristet. Dass sie zu Ende gehen, war immer klar. Das betrifft übrigens auch die Kaschemme, unser Vertrag dürfte in rund fünf bis sieben Jahren zu Ende gehen. Was Nordstern und Hinterhof erreicht haben, ist allerdings so bemerkenswert, dass man neue Lokalitäten finden sollte. Sie haben eine internationale Bekanntheit erlangt, auf die Basel sehr stolz sein kann, sind so etabliert, dass ihnen die Stadt helfen sollte bei der Suche für Ersatz.

Wo könnten denn noch neue Clubs entstehen? Dreispitz, St. Jakob, Hafen?

Ja. Auch auf dem ehemaligen BASF-Areal im Klybeck sehe ich Möglichkeiten und Potenzial. Aber auch in Wohnquartieren sind Sachen möglich, wie das Podium an der Amerbachstrasse zeigt, dort, wo früher das Theater Arlecchino drin war. Ich bin kein Politiker, auch kein Stadtplaner. Aber ich weiss jetzt aus eigener Erfahrung, dass zu viele Sachen verlangt werden für einen kleinen Raum, der recht vielen Leuten Freude bereitet.

«Wenn man von Anfang an erdrückt wird mit einem Ordner voller Formulare und Auflagen, dann ist das absolut demotivierend.»

Fehlt es am Bewusstsein bei den Behörden, dass man auch mal etwas entstehen lassen muss?

Absolut. Natürlich sind gewisse Auflagen und Sicherheitsvorkehrungen wichtig. Aber wenn man von Anfang an erdrückt wird mit einem Ordner voller Formulare und Auflagen, dann ist das absolut demotivierend.

Was bräuchte es denn – einen runden Tisch zwischen Clubbetreibern und Behörden, wie es in Bern der Fall war?

Ja, das wäre sicher gut. Auch eine Schnittstelle zwischen uns und der Politik wäre nötig. Das Problem ist, und das müssen wir uns sicher selber vorhalten, dass wir zu wenig politisch engagiert sind. Ich bin in erster Linie Musiker, keiner, der sich gerne mit Paragrafen herumschlägt. So geht es doch vielen Kreativen in dieser Stadt. Gerade deshalb bräuchte es einen Ruck, mehr Verständnis in der Verwaltung, damit gute Ideen und Projekte nicht gleich im Keim erstickt werden.

Aber warum haben sich die Clubs nicht organisiert, einen Verband gegründet?

Gute Frage. Wir sind zwar sehr familiär unterwegs in Basel, man hilft sich gegenseitig, wenn das Bier ausgeht oder man Geräte braucht. Da konnten wir sehr von den anderen Clubs profitieren. Aber eben: Wenn es um Vorschriften geht, führt jeder seinen eigenen Kampf. Wir etwa haben vor Weihnachten noch einmal ein ganzes Dossier erhalten mit Auflagen, die wir erfüllen müssen.

Was müsste sich ändern, damit sich die Situation in Basel verbessert?

Die Stadt sollte nicht nach dem Katalog vorgehen. Ein Beispiel, das uns gerade beschäftigt: Wir haben Sitzflächen aus Holz, die angeblich ausserhalb der Baulinie stehen. Das gehe nicht, wurde uns nun mitgeteilt. Wir liegen in einem durch Gitter abgetrennten Industriegebiet, niemand stört sich an diesen Holzboxen, bis auf einen Menschen in der Verwaltung. Dass wir wegen solcher Kleinigkeiten Zusatzaufwand betreiben müssen, macht uns manchmal rasend.

Wirkt tatsächlich bizarr, darauf rumzureiten.

Ich habe noch ein anderes Beispiel: In der Lagerhalle lagen alte Aluschilder rum. Wir haben das Logo unseres Clubs draufgesprayt und diese Schilder aufgehängt, als Dekoration. Nun müssen wir für jedes einzelne Schild ein «Reklamebegehren» einreichen, welches uns 600 Franken kosten würde.

Das ist nicht wahr!

Doch, wirklich wahr. An einem Ort, wo es keine Sau interessiert, ob ein Schild mit unserem Logo hängt oder nicht. Also sahen wir uns gezwungen, die Logos wieder abzuschleifen.

Wenn sich nichts ändert, was wird die Konsequenz sein? Wieder mehr illegale Partys?

Ja, denn in den letzten Jahren sind viele Projektideen an den Auflagen gescheitert. Das müsste nicht sein, wenn die Behörden mehr Fingerspitzengefühl an den Tag legen würden. Wenn sich nichts ändert, wird es auf jeden Fall zu mehr illegalen Partys führen. Dass die Leute ausgehen wollen, ist ja nichts Neues. Die Frage ist also, wie die Stadt damit umzugehen gedenkt.

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