Die Präsentation des Festival-Programms hat was von Lotto im Atlantis. Alle im Sääli warten gebannt, mit welcher Nummer Beatrice Stirnimann, die Geschäftsführerin der Baloise Session, das nächste Fragezeichen-Feld auf der Leinwand füllt.
Die Zahlen zu den gebuchten Künstlern sind durchwegs beeindruckend: Sunrise Avenue waren schon mit ihrem ersten Album ein ganzes Jahr in den Schweizer Charts, Senkrechtstarter George Ezra gar noch länger. John Legend kommt auf Empfehlung des letztjährigen Soul-Stars Alicia Keys gleich an zwei Abenden. Und die einzigen einheimischen Headliner Lo & Leduc haben mit «079» den erfolgreichsten Schweizer Song geschrieben und damit den Klassiker «Grüezi Wohl, Frau Stirnimaa» abgelöst. Dazu entfährt Stirnimann ein «Gott sei Dank!»
Gespannt auf den Weltstar
Persönlich bewegt Stirnimann auch das Engagement von Ms. Lauryn Hill. Um den Weltstar anzukünden, braucht es 20 Jahre nach ihrem Epochenalbum «The Miseducation of Lauryn Hill» auch keine Zahlen.
Stirnimann hofft im Jubiläumsjahr denn auch auf viele Klassiker der US-Sängerin, inklusive ein paar exklusiven Nummern von ihren Anfängen bei den Fugees. Und vermutlich bibbert die Baloise-Session-Geschäftsführerin auch ein klein wenig, dass Ms. Lauryn Hill ihr Konzert dann nicht doch kurzfristig absagt, wie sie es damals 2008 tat – und in diesem Frühjahr auf ihrer US-Tour.
Stirnimann gibt sich allerdings überzeugt, dass Hill ihre schwierige Diva-Phase hinter sich hat. Im Unterschied zu Morrisey bekommt sie von der Veranstalterin eine zweite Chance.
Es wird Hills einziges Schweizer Konzert sein, und darauf freut sich – anders als Stirnimann vermutet – wohl nicht nur die Ü40-Generation, sprich das Gros der Session-Besucher. Auch die gut 20-jährige Schweizer Popsängerin Veronica Fusaro juckt beim Namen Hill auf, als hätte sie persönlich den grössten Korb am Lottoabends gewonnen.
Überzeugender Schweizer Act
Die junge Thunerin sitzt bei der Programmpräsentation an der Seite von Stirnimann und zeigt mit zwei Bühneneinlagen mit Gitarre, Loop-Station und variabler Stimme von Beat-Box bis Soul, weshalb sie dieses Jahr die Baloise Session vor Sunrise Avenue eröffnen wird. Zwar ist das Setting, vor einer Schar von schwitzenden Medienvertretern zu singen, sicher alles andere als eine Traumbühne für Fusaro, doch diese weiss sie mit Songs und Talent überzeugend zu nutzen.
Der Applaus der Journalistinnen und Journalisten fällt mehr als freundlich aus. Und man glaubt Fusaro, als sie sich charmant bedankt: «Dafür hat es sich gelohnt, um 6 Uhr aufzustehen.»
Noch in der Nacht auf diesen Mittwoch wurde ihr neuster Song «Venom» gemixt. Es ist eine aufwogende Hymne, die am Ende mit kraftvollem Gesang und viel Blech-Bombast in einem Bondsches Crescendo gipfelt. Heute ist die Single erstmals abgespielt worden, offiziell realeast wird sie dann anlässich der Festival-Eröffnung – und mit der Live-Premiere gefeiert.
Aus lokaler Sicht darf man sich des Weiteren auf den Auftritt von Nicole Bernegger freuen, die sich nach ihrem Ausflug in die proppere Casting-Welt wieder auf ihre Wurzeln im rauhen Soul der 60er-Jahre besinnt.
Rundes Programm
Mit Ben Harper und Jimmy Cliff sowie Buddy Guy und Beth Hart runden zwei gelungen Paarungen die 33. Ausgabe der Baloise Session ab. Wegen dem Zuwachs an grossen Namen bei stabilem Budget von 8,5 Millionen Franken blieb es bei einer reduzierten Zahl von zehn Konzertabenden – wie letztes Jahr wegen Superstar Alicia Keys.
«Lieber kleiner, dafür feiner», meinte Stirnimann abschliessend zum Jahrgang 2018. Die Baloise Session spielt weiterhin nicht um den Gewinn des europäischen Jackpots, doch mit viel Schweizer Exklusiv-Konzerten bietet das Festival weit mehr als einen provinziellen Lottoabend im gestuhlten 1500er-Sääli.
Baloise Session, 19. Oktober bis 6. November.