Knackeboul hat es aufgegeben, Vegetarier werden zu wollen. Seinen Kater knuddelt er noch immer gern, Seelenverwandte kann er in Tieren aber beim besten Willen nicht erkennen.
Ich esse in letzter Zeit wieder mehr Würste. Aus Protest. Die Tierchen tun mir zwar nach wie vor leid und das Ausmass unseres Fleischkonsums finde ich noch immer absurd. Aber jetzt muss ein Zeichen gesetzt werden. Und dazu eignet sich die Wurst vorzüglich.
«Die Wurst ist der beste Vogel», sagt der Russe. Ich weiss nicht, was das bedeutet, ich finde einfach den Spruch gut. Ähnlich verhält es sich mit der Wurst. Keine Ahnung, was drin ist, aber sie macht mich glücklich. Mehrfach habe ich versucht, Vegetarier zu werden, bin aber jedes Mal gescheitert.
Nun haben zwei Erkenntnisse zu einem Sinneswandel geführt: Erstens waren meine Bestrebungen in Richtung pflanzlicher Ernährung irgendwie katholischer Natur. Das schlechte Gewissen, das man in religiösen Kreisen nach dem Onanieren hat, hatte ich vor und nach dem Verzehr eines Landjägers. Schlechtes Gewissen wegen Onanie kommt bei mir nicht infrage, denn sonst käme ich gar nicht mehr aus dem Haus. Wobei, dann hätte ich mehr Zeit, im Haus zu kommen …
Auf jeden Fall scheint es ein Hobby von mir zu sein, ein schlechtes Gewissen zu haben, und Würste sind dafür ein gefundenes Fressen. Fick dich, du übertriebenes Über-Ich-Gefühl. Es lebe die innere Schweinewurst!
Wer Tierliebe als Tarnung für Rassismus benutzt, sollte lieber wieder einmal eine Wurst essen.
Zweitens habe ich herausgefunden, dass geschätzt ein Drittel aller Tierschützer Idioten sind. Viele verwechseln ihren Menschenhass mit Tierliebe. Nichts gegen Menschenhass, für den hab ich viel Liebe. Wenn er sich aber nur auf bestimmte Gruppen von Menschen beschränkt, hasse ich ihn. Wenn schon, werden alle gleichmässig gehasst. Du sollst deinen Nächsten hassen wie dich selbst! War Jesus eigentlich Vegetarier? Hitler war es – Veget-Arier, lol.
Wer also Tierliebe als Tarnung für Rassismus benutzt, sollte vielleicht lieber wieder einmal eine Wurst fressen. Meine erste Therapie-Wurst ass ich übrigens, nachdem ich ein Bild auf Facebook gesehen hatte. Ein Tierlieber zeigt sich darauf mit seiner Katze – Auge in Auge. Dazu schreibt er: «Wenn ich dir in die Augen schaue, sehe ich nicht ein Tier, sondern ein tiefgründiges Wesen – einen Seelenverwandten!»
Gesehen habe ich das nur, weil ich mir das Profil dieses Menschen angeschaut habe, nachdem er unter einem Post von mir geschrieben hatte: «Dann nimm doch so einen Nafri bei dir auf, du gebührenfinanzierte Medien-Hure.» Das weckte meine Neugier: Ich wollte herausfinden, ob sich sein verkümmertes Inneres auch auf seine Physiognomie niederschlägt.
Wenn ich Machiavelli in die Augen schaue, sehe ich keine Persönlichkeit. Ich sehe die Frage: «Gibts was zu fressen?»
Sein Katzenpost hat mich dann irgendwie beeindruckt. Ich machte mich sofort auf die Suche nach meinem Kater Machiavelli. Ich fand das tiefgründige Wesen im Garten. Die Beine weit gespreizt leckte er sein eigenes Arschloch. In dieser Position verharrend hob er den Kopf und wir schauten uns in die Augen. Ich versuchte, die Augen zu fixieren, um den Abgrund darunter nicht anschauen zu müssen. Wir schauten uns also an und ich suchte einen Funken Seele, einen Ansatz von Persönlichkeit. Nix, nada.
Ich sage euch: Als mal jemand Machiavelli in Zürich entführt hatte, waren meine Frau und ich eine Woche lang in tiefer Trauer. Ich liebe dieses possierliche Tierchen, aber wenn ich ihm in die Augen schaue, sehe ich keine Persönlichkeit. Ich sehe die Frage: «Gibts was zu fressen?»
Manchmal sehe ich auch eine Art Verachtung oder Mordlust. «Wenn du nur kleiner wärst, dann könnte ich dir den Kopf abbeissen, du nutzloses Stück Scheisse», scheint dieses samtpfotige Wollknäuel zu sagen. Ich knuddle es trotzdem. Es schnurrt. Machiavelli ist ein schrecklicher Fürst. Er beliebt seinen Opfern nach stundenlanger vergnüglicher Folter den Kopf abzutrennen und ihre Kadaver als bizarre Skulpturen auf unserem Stubenboden darniederzulegen. Er würde keine Sekunde zögern, selbiges mit mir zu tun, wäre ich ein Mäuserich.
Die Entzauberung der Tierwelt
Wir müssen es einsehen. Tiere haben keine Seele. Sie feiern keine Partys und produzieren keine Meisterwerke. Sie haben keine Lebensträume. Wahrscheinlich hat das weinende Kamel in diesem einen Film einfach eine Augenentzündung. Der Schimpanse, der das Menschenkind scheinbar streichelt, will es einfach lausen. Und die Läuse fressen. Auch die ganzen kommunizierenden Affen wollen wahrscheinlich bloss was zu essen. Dafür machen sie auch humanoide Gesten, damit ihre Wärter endlich die getrockneten Bananen rausrücken.
Es gibt ein Video von Eseln, die sich scheinbar zeremonienartig von ihrem gerade verstorbenen Artgenossen verabschieden. Für mich sieht es eher aus, als würden sie den Kadaver beschnuppern – mit Fokus auf die Geschlechtsteile. Die Entzauberung der Tierwelt.
Bestimmt wirken meine Ausführungen für manche Tierliebhaber schrecklich ignorant. Noch schrecklicher und ignoranter ist es aber, wenn jemand die Massentierhaltung mit dem Holocaust gleichsetzt.
Übertriebene Tierliebe ist Narzissmus
Die Wurst-Therapie nützt übrigens nur bedingt. Immer noch senke ich meinen Blick beschämt, wenn ich an einer Herde Kühe vorbeikomme. Kühe haben was. Einmal hatte ich einen Magic Moment mit einer Kuh. Sie glotzte mich lieb an. Ich versank in ihren grossen schwarzen Augen, die den ganzen Kosmos in sich bündelten. Ich tauchte ein in ein dunkles Meer, hörte gar das Wasser rauschen.
Es rauschte wirklich. Die Kuh hatte während meiner metaphysischen Erfahrung den Schwanz angehoben und im dicken Strahl losgepisst. Für zwei Minuten und elf Sekunden. Ich hatte Zeit, das Handy rauszuholen und die Zeit zu stoppen. Ich hatte tatsächlich eine Erleuchtung: Übertriebene Tierliebe ist Narzissmus. Da bevorzuge ich den sporadischen Wurstverzehr mit Gewissensbissen.